Steigern Sie Ihr Situationsbewusstsein à la Jason Bourne
9 Methoden, mit denen Sie Ihr Lagebewusstsein auf Agentenlevel heben
Haben Sie Ihre Mitbürger auf der Straße mal genau beobachtet? Fast jeder hat heutzutage Kopfhörer auf oder starrt – im schlimmsten Fall sogar beim Gehen – auf sein Handy, ahnungslos, was im näheren Umfeld passiert. Vielleicht erkennen Sie sich ja selbst in der Beschreibung. Im Jahr 2023 berauben sich die meisten Menschen in der Öffentlichkeit eines ihrer wichtigsten Sinne. Das Resultat: Völlige Ahnungslosigkeit und Unwissenheit im Fall einer sich abzeichnenden Gefahr, zum Beispiel in der S-Bahn, auf der Straße oder in einer Menschenmenge. Reden wir also über die sogenannte Situational Awareness (SA) und wie Sie sie sich zurückholen.
Aber eins nach dem anderen: Was ist Situational Awareness überhaupt?
Situations- oder Lagebewusstsein ist das Verständnis einer Umgebung, ihrer Elemente und ihrer Veränderungen in Bezug auf die Zeit oder andere Faktoren.
Situationsbewusstsein ist wichtig für eine effektive Entscheidungsfindung in vielen Umgebungen und erfordert nicht zuletzt Konzentration.
Im Fachbuch Human Factors – Psychologie sicheren Handelns in Risikobranchen des Autorenteams Petra Badke-Schaub, Gesine Hofinger, Kristina Lauche wird erklärt, dass Situational Awareness eine „wesentliche Voraussetzung für sicheres Handeln ist, dass Planerinnen, Entscheider oder Operateure verschiedene Aspekte einer Situation korrekt wahrnehmen, zutreffend interpretieren und daraus adäquate Handlungen generieren.“ 1 Human Factors – Psychologie sicheren Handelns in Risikobranchen springer.com
Das bedeutet also, Ihre Wahrnehmung funktioniert und Sie sind sich jederzeit Ihrer Umgebung und der Position, die Sie in ihr haben, bewusst. 2Toward a Theory of Situation Awareness in Dynamic Systems journals.sagepub.com
Kennen Sie noch die Szene aus dem Film Die Bourne Identität aus dem Jahr 2002, in der Matt Damon Franke Potente in einem Restaurant Auffälligkeiten aus der näheren Umgebung erklärt?
„I come in here, and the first thing I’m doing is I’m catching the sightlines and looking for an exit […] I can tell you the license plate numbers of all six cars outside. I can tell you that our waitress is left-handed and the guy sitting at the counter weighs 215 pounds and can handle himself. I know the best place to look for a gun is the cab of the gray truck outside…“
Okay, dieser Level an SA ist nicht unbedingt nötig, wenn Sie kein Teil eines geheimen Regierungsprogrammes sind.
Für alle anderen: Schauen wir uns an, wie wir unser Situationsbewusstsein schärfen können!
Die Zentrale Idee: OODA-Loop
Im Mittelpunkt unseres Verständnisses von Bewusstsein für Situationen steht das Modell der OODA-Loop.
OODA steht für Observe (Beobachten) – Orient (Orientieren) – Decide (Entscheiden) – Act (Handeln).
Dieses Modell wurde von John Boyd, einem Colonel der US-Luftwaffe, entwickelt.
Es geht darum, zu beobachten, sich zu orientieren, Entscheidungen zu treffen und zu handeln.
Mit dieser Methode können wir schnell und gut auf Gefahren reagieren.
Der OODA-Loop ist aber mehr als nur eine einfache Schleife.
Es sind viele Schleifen, die miteinander zusammenhängen und immer wieder durchlaufen werden müssen.
Mitunter ist sogar ein Wechsel der Perspektive nötig.
Boyd hat betont, dass die Situation, in der wir uns befinden, wichtig ist, um unsere Energie richtig zu nutzen.
Viele denken, dass es darum geht, die Schleifen schneller zu durchlaufen als andere.
Aber Boyds Ideen sind viel tiefer und komplexer. 3Das Kompendium zum Informationsstrategiekonzept von John Boyd ooda.de
Lektion 1: Beobachten und wahrnehmen
Der erste Schritt in diesem Kreislauf ist das Beobachten.
Manchmal vergessen wir in unserer digitalen Welt, wie wichtig es ist, wirklich auf unsere Umgebung zu achten.
Denken Sie nur an einen typischen Tag: Vielleicht checken Sie ständig Ihr Handy, während Sie im Park spazieren gehen, anstatt die Natur um Sie herum zu bemerken – die singenden Vögel, das Rascheln der Blätter, die Farben des Sonnenuntergangs oder den Typen da drüben in der Ecke mit dem Baseballschlager in der Hand, der Sie so komisch anstarrt.
Es ist wichtig, dass wir lernen, unseren Blick wieder zu erheben, uns von solchen Ablenkungen zu lösen und wirklich wahrzunehmen, was um uns herum passiert.
Lektion 2: Orientieren und Interpretieren
Das Beobachten ist nur der Anfang.
Danach müssen wir verstehen, was das Gesehene bedeutet.
Das ist der Orientierungsschritt, der nächste Teil im Prozess.
Und das kann manchmal der kniffligste Teil sein.
Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einer Party.
Zuerst schauen Sie sich um und sehen viele Leute reden, lachen und tanzen.
Das ist der Beobachtungsteil.
Aber dann müssen Sie verstehen, was das alles bedeutet: Wer scheint sich gut zu verstehen?
Wer wirkt vielleicht etwas einsam?
Wo würden Sie am liebsten mitmachen?
Dafür müssen Sie sich wirklich auf den Moment einlassen und alle Informationen, die Sie haben, nutzen, um zu verstehen, was um Sie herum passiert.
Lektion 3: Entscheiden und Handeln
Nachdem wir eine Situation verstanden haben, müssen wir entscheiden, was wir tun wollen und dann entsprechend handeln.
Das ist der letzte Teil des Prozesses und oft der Punkt, an dem es schwierig wird.
Viele Menschen hören hier auf, wirklich nachzudenken und reagieren einfach instinktiv – sie greifen zur Flucht – oder Kampfreaktion.
Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einer belebten Straße und plötzlich fährt ein Auto sehr schnell auf Sie zu.
Nachdem Sie das Auto bemerkt (Beobachtung) und verstanden haben, dass es eine Gefahr darstellt (Orientierung), müssen Sie entscheiden, was Sie tun (Entscheidung).
Werden Sie zur Seite springen oder einfach einfrieren (Handlung)?
In solchen Situationen ist es wichtig, trotz des Drucks, klar zu denken und nicht nur auf Instinkte zu vertrauen.
Der Farbcode von Cooper: Ein Einblick in Situational Awareness
Der Farbcode von Cooper ist ein Modell zur Darstellung der Stufen der Aufmerksamkeit in verschiedenen Situationen. 4COMBAT MINDSET – THE COOPER COLOR CODE gungoddess.com
Er wurde vom US-amerikanischen Schützen und Waffenexperten Colonel Jeff Cooper entwickelt.
Dieser Code besteht aus fünf Stufen: Weiß, Gelb, Orange, Rot und Schwarz, die jeweils unterschiedliche Zustände des Bewusstseins und der Bereitschaft darstellen.
- Die weiße Stufe steht für Unachtsamkeit und Unbewusstsein für die Umgebung. In dieser Phase ist man nicht auf mögliche Gefahren vorbereitet.
- Die gelbe Stufe kennzeichnet ein allgemeines Bewusstsein. Man ist wach und aufmerksam, hat jedoch noch keine spezifische Bedrohung identifiziert.
- Die orange Stufe kennzeichnet ein spezifisches Bewusstsein. Eine potenzielle Bedrohung wurde identifiziert und man ist bereit, auf sie zu reagieren.
- Die rote Stufe bedeutet, dass eine Bedrohung unmittelbar bevorsteht. Man hat entschieden, dass Handlungen erforderlich sind und bereitet sich auf diese vor.
- Die schwarze Stufe steht für einen Zustand der Überwältigung, in dem man nicht in der Lage ist, effektiv zu reagieren.
Der Farbcode von Cooper kann Ihnen helfen, wenn Sie in der Stadt unterwegs sind.
Stellen Sie sich vor, Sie sind zu Hause und ruhen sich aus. Hier ist der Farbcode Weiß.
Wenn Sie das Haus verlassen, gehen Sie in den Farbcode Gelb über. Das bedeutet, Sie schauen sich um und sind bereit, wenn etwas passiert.
Beim Spaziergang bemerken Sie eine Gruppe Menschen, die sich komisch verhalten. Jetzt wechseln Sie in den Farbcode Orange. Sie haben noch keine direkte Gefahr gesehen, aber Sie beobachten die Gruppe genau.
Dann bemerken Sie, dass die Gruppe sich aggressiv verhält und auf Sie zukommt. Sie denken, es könnte gefährlich werden. Sie wechseln in den Farbcode Rot. Sie überlegen sich, was Sie jetzt machen sollen.
Vielleicht entscheiden Sie sich, einen anderen Weg zu gehen, schnell wegzugehen oder die Polizei zu rufen.
Sie kommen nie in den Farbcode Schwarz, weil Sie ruhig bleiben und wissen, was zu tun ist.
Der Farbcode von Cooper kann Ihnen also helfen, sich sicherer zu fühlen und richtig zu reagieren, wenn etwas Ungewöhnliches passiert
Im täglichen Leben kann der Farbcode von Cooper als Werkzeug zur Steigerung des Lagebewusstseins dienen.
Er ermutigt uns, über die weiße Stufe hinaus in die gelbe Stufe zu wechseln, in der wir uns unserer Umgebung bewusst sind und auf Veränderungen in dieser Umgebung achten.
Wenn wir eine mögliche Bedrohung bemerken, wechseln wir in die orangefarbene Stufe, und wenn die Bedrohung konkret wird, in die rote Stufe.
Das Ziel ist es jedoch, die schwarze Stufe zu vermeiden, in der wir überfordert sind und nicht in der Lage, effektiv zu reagieren.
Um das zu erreichen, ist es wichtig, sich ständig seiner Umgebung bewusst zu sein und sich auf mögliche Szenarien vorzubereiten, um auf Bedrohungen reagieren zu können.
Mit diesen 9 Methoden schärfen Sie Ihr Situationsbewusstsein
Situationsbewusstsein ist eine wichtige Fähigkeit, die man im Alltag trainieren und schärfen kann.
Hier sind neun praktische Tipps, um Ihnen dabei zu helfen:
1. Nutzen Sie die Kraft der Erinnerung
Versuchen Sie, sich an so viele Details wie möglich zu erinnern, um sie später nutzen zu können. Nehmen Sie sich Zeit, um Ihre Umgebung bewusst zu beobachten und wirklich wahrzunehmen, was vor sich geht.
2. Legen Sie Ihr Handy weg
Smartphones und andere Technologien können hilfreich sein, aber sie können uns auch von unserer Umgebung ablenken. Versuchen Sie, Zeiten einzuplanen, in denen Sie bewusst auf Technologie verzichten und sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren.
3. Kontrollieren Sie Ihre Atmung
Bei Stress oder Angst kann bewusstes Atmen helfen, die Kontrolle zu behalten. Üben Sie doch einmal die von den Navy SEALs angewendeten Atemtechniken wie Box- oder Tactical-Breathing.
4. Körperliche Fitness verbessern
Ein gesunder Körper unterstützt einen gesunden Geist. Regelmäßige körperliche Aktivität kann Ihre Fähigkeit verbessern, schnell und effektiv auf Situationen zu reagieren. Ruck Marching ist ein schneller, einfacher und effektiver Weg, fit zu werden.
5. Entspannungstechniken erlernen
Stress kann unser Situationsbewusstsein beeinträchtigen. Techniken wie Meditation oder Yoga können helfen, Stress abzubauen und einen klaren Kopf zu bewahren. Holen Sie sich die mentale Stärke eines Kriegers.
6. Achtsames Zuhören
Versuchen Sie, in Gesprächen wirklich zuzuhören und nicht nur auf Ihre Antwort zu warten. Dies kann Ihre Fähigkeit verbessern, wichtige Informationen aus Ihrer Umgebung aufzunehmen.
7. Denken Sie in Szenarien
Haben Sie immer einen Plan für mögliche Szenarien in Ihrer Umgebung. Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in verschiedenen Situationen und überlegen Sie, wie Sie reagieren würden. Ein solcher Handlungsplan kann Ihnen helfen, im wirklichen Leben schneller und effektiver zu reagieren.
8. Positionieren Sie sich strategisch
Wo immer möglich, stellen Sie sich so hin, dass Sie Ein- und Ausgänge im Blick haben.
9. Üben Sie
Wie jede andere Fähigkeit kann auch das Situationsbewusstsein durch regelmäßige Übung verbessert werden.
Fazit: Nicht Jason Bourne, aber trotzdem semper paratus!
Es ist also klar: Die Entwicklung von Situationsbewusstsein ist mehr als nur eine Fähigkeit; es ist eng mit Ihrer Kognition verbunden und ist eine Lebensphilosophie, die sich positiv auf viele Aspekte Ihres Lebens auswirken kann. 5Situational Awareness and Survival psychologytoday.com
Mit den vorgestellten Strategien und Ratschlägen können Sie lernen, wie ein Profi zu denken und zu handeln, und vielleicht sogar das Leben eines anderen – oder Ihr eigenes – retten.
Aber auch wenn es nicht so dramatisch wird: Ihr alltägliches Leben wird sich zum positiven ändern, wenn Sie plötzlich wieder Herr über Ihre Umgebung sind.
Quellen
- 1
- 2Toward a Theory of Situation Awareness in Dynamic Systems journals.sagepub.com
- 3
- 4COMBAT MINDSET – THE COOPER COLOR CODE gungoddess.com
- 5Situational Awareness and Survival psychologytoday.com