Laut offiziellen Studien ist etwa jede vierte Frau und jeder achte Mann in Deutschland irgendwann im Laufe des Lebens von einer Depression betroffen. Allerdings wird die Krankheit oft entweder gar nicht oder nur sehr spät erkannt.
Gerade Männer haben ein Problem damit, sich eine depressive Erkrankung einzugestehen, denn genau das bedeutet im traditionellen Rollenbild einen Verlust der Männlichkeit und natürlich des gesellschaftlichen Status. Zudem leiden Männer anders als Frauen.
Depression ist aber nicht nur ein Problem, das medizinische, psychologische und soziale Folgen für den Einzelnen hat, sondern auch eine immer größer werdende wirtschaftliche Bedeutung bekommt. Dabei kann der Prozess der Heilung -persönlich wie volkswirtschaftlich- nur mit dem ersten Schritt beginnen, der Akzeptanz der Krankheit und ihren Auswirkungen.
Depression wird bei Männern oft nicht erkannt. Selbst Mediziner haben häufig Schwierigkeiten, eine gezielte Erstdiagnose zu stellen. Das zeigten geschlechtsspezifische Studien zum Diagnoseverhalten vieler Allgemeinärzte. Das heisst für den an Depression erkrankten Mann, dass das Risiko einer falschen Diagnose, inklusive der damit einhergehenden Behandlungsmethoden, weitaus höher liegt als bei Frauen.
Weiteres Abrutschen in die Krankheit sind die Folge, häufig gefolgt von Alkohol- und Drogenabhängigkeit, kardiovaskulären Erkrankungen und Diabetes mellitus, bis hin zum Suizid. Laut der Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamtes starben 2015 mehr Menschen durch Suizid (10.078) als durch Drogen (1.226), Verkehrsunfälle (3.688) und HIV (371) zusammen – das waren über 27 Personen pro Tag, der überwältigende Teil davon (73,4 Prozent) Männer.
Was einem größeren Verständnis für Betroffene dieser Krankheit im Wege steht, sind die großen Wissenslücken in der Bevölkerung, die es im Zusammenhang mit Depression gibt.
Dr. Christian Sander vom Forschungszentrum Depression der Stiftung Deutsche Depressionshilfe führte 2018 die Online-Befragung “Volkskrankheit Depression – So denkt Deutschland” unter 5000 Freiwilligen durch. Herausgekommen sind erstaunliche Einsichten in die Denkweise der Deutschen über diese “Volkskrankheit”.
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So sahen fast alle Interviewten Belastungen am Arbeitsplatz (96 Prozent) oder Einsamkeit (96 Prozent) als Hauptursachen der Depression. 56 Prozent machten eine falsche Lebensführung verantwortlich, 30 Prozent schoben es auf die Charakterschwäche der Erkrankten und immerhin noch 25 Prozent sahen falsche Ernährung als eine der Ursachen.
Und das, obwohl über 70 Prozent der Befragten angaben, schon einmal selbst depressiv oder mit depressiven Angehörigen/Freunden in Kontakt gewesen zu sein.
Auf die Frage, was ihrer Meinung nach als Hilfe und Mittel gegen Depression in Frage käme, gaben mehr als 90 Prozent der Befragten an, dass der Gang zum Hausarzt oder Psychotherapeuten der beste Weg sei.
Allerdings glaubten auch hier, dass in den Urlaub fahren (74 Prozent), sich zusammenreißen (20 Prozent) oder Schokolade essen (18 Prozent) Aussicht auf Erfolg hätten.
Laut dem von der Allianz Privaten Krankenversicherungs-AG in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Psychiatrie herausgegebenen Report “Depression – Wie die Krankheit unsere Seele belastet”, wird “… im Jahr 2030 […] die Depression laut einer Prognose der WHO in den Industrienationen die häufigste Krankheit sein”.
Das bedeutet nicht nur zusätzliche Kosten für die Versicherer, sondern auch enormen wirtschaftlichen Schaden durch krankheitsbedingte Ausfälle und “Präsentismus” – dem Erscheinen am Arbeitsplatz trotz Krankheit und der damit einhergehenden verminderten Produktivität.
Deshalb ist es auch für Staat und Firmen äußerst wichtig, dass der Patient zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort und in bester Qualität versorgt wird. Eine weitere Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO kommt zu dem Ergebnis, dass durch Depression und Angststörungen bedingte Fehlzeiten und Produktionsausfälle die unsere Weltwirtschaft jedes Jahr bis zu einer Billion US-Dollar kosten.
Laut WHO sind fast 10 Prozent der Weltbevölkerung betroffen. Die Studie zeigt aber auch gleichzeitig, dass jeder Dollar, der in die Behandlung von Depression und Ängsten investiert wird, durch bessere Gesundheit und höhere Arbeitsproduktivität zu einer Rendite von vier Dollar führt.
Dafür wurden z.B. Therapiekosten in 36 Ländern mit verschiedenen Einkommensschichten, in denen 80 Prozent der Weltbevölkerung leben, bis 2030 errechnet.
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Unter dem Strich stehen Kosten für bessere Therapieangebote in Höhe von 147 Milliarden einer Verbesserung der Produktivität in Höhe von zusätzlichen 310 Milliarden US-Dollar gegenüber.
Der “Return of Investment” (ROI) kann sogar bis zum 5,7-fachen der eingesetzten finanziellen Mittel reichen. Das macht eine verbesserte Versorgung erkrankter Menschen volkswirtschaftlich rentabel.
Eine Studie der Europäischen Union (EU) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beleuchtet unter anderem die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge im europäischen Raum.
Dabei zeigt sich, dass Deutsche im Vergleich häufiger an psychischen Erkrankungen leiden, was sich in weitaus höheren Ausgaben für Sozialversicherungsprogramme und Behandlungskosten niederschlägt. Und der Anteil psychischer Erkrankungen wächst. Der neu erschienene Gesundheitsreport der Betriebskrankenkasse BKK spricht schon von fast 17 Prozent der Fälle, in denen Arbeitsunfähigkeit durch psychische Leiden ausgelöst wird.
Generell machen, laut Bericht, durch seelische Probleme verursachte Krankheitstage mittlerweile etwa 28 Prozent aus.
Zunehmend reagieren eben auch Unternehmen auf die Problematik, gefolgt von der Politik. Beispielsweise testet die Deutsche Bahn ein System aus speziell geschulten Kollegen, “kollegiale Depressionsbegleiter” genannt, die im “Peers at Work”-Projekt als Frühwarnsystem dienen sollen, um Arbeitskollegen vor Ort bei beginnenden Anzeichen einer psychischen Erkrankung zu unterstützen.
Auch die Fraport AG, größter Flughafenbetreiber Deutschlands, hat ein ähnliches Programm zur Prävention. Dazu Sven Schabos, Senior Manager Passenger Services am Flughafen Frankfurt: “Wir haben drei gut ausgebildete Psychologen aus verschiedenen Fachgebieten im Haus, die sich um die Belange der Mitarbeiter kümmern. Außerdem bieten wir im Rahmen der Arbeitsmedizin in Zusammenarbeit mit den Psychologen das Seminar “Führen psychisch belasteter Mitarbeiter” an, das sich an alle unsere Führungskräfte richtet. Dazu führen wir regelmäßig die “Erhebung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz durch”, deren Ergebnisse in einem Maßnahmenkatalog und in Zusammenarbeit mit unseren Mitarbeitern umgesetzt wird.”
Mittlerweile wird von vielen Seiten immer deutlicher erkannt, dass etwas gegen den Vormarsch psychischer Erkrankungen in der Bevölkerung getan werden muss. Mehr und mehr Firmen erkennen, dass nur gesunde Menschen auch gesunde Arbeitnehmer sein können, und bieten deshalb immer mehr Programme und Präventivmaßnahmen an.
Denn grundsätzlich gilt: Depression ist heilbar, und je eher man sie erkennt, desto höher sind die Heilungschancen. Deshalb sollten gerade depressive Männer Hilfe frühzeitig in Anspruch und ihre eigenen Erkrankung ernst nehmen.
Dieser Artikel enthält weder medizinischen Ratschläge, noch ersetzt er eine ärztliche Konsultation. Er dient ausschließlich informativen Zwecken. Bei allen Fragen der Gesundheit oder im Krankheitsfall sollten Sie sich unbedingt an einen Arzt oder Apotheker wenden bzw. den Patientenservice unter der Rufnummer 116 117 kontaktieren, der Sie an den ärztlichen Bereitschaftsdienst verweisen kann. Im Notfall wählen Sie die bundesweit gültige Rufnummer 112. Lesen Sie auch die Beipackzettel Ihrer Medikamente vor Einnahme sorgfältig durch.