Was, wenn dein Job mit 40 nicht mehr passt?

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Der 27. Juni 2017 steckt mir bis heute im Kopf. An diesem frühen Morgen, die Luft war schon warm, saß ich wie jeden Tag im Auto. Die gleiche Strecke, die gleiche Autobahnauffahrt. Nur fuhr ich nicht geradeaus zum Büro.

Mein Blinker klickte nach rechts, ganz leise, und ich fuhr zu meiner Hausärztin. Im Wartezimmer starrte ich auf das Laminat. Die Maserung lief schief, wenn ich zu lange hinsah. Oder bildete ich mir das nur ein? Egal.

Als ich endlich vor ihr saß und sie fragte, was sie für mich tun könne, wollte ich antworten. Da kam aber nichts. Meine Kehle zog sich zu. Mir liefen Tränen runter, einfach so. Das war kein großer Moment, das war eher ein stilles Brechen meines Alltags.

Diagnose: Depression.

Zwei Jahre hat mich das festgehalten. Oder waren es zweieinhalb? Gefühlt auf jeden Fall länger. Und irgendwann, mitten darin, begriff ich, dass ich meinen letzten Jobwechsel machen werde. Aber nicht nach oben, höher auf der Karriereleiter, sondern dahin, wo es für mich Sinn machte. In Richtung Schreiben. Journalismus. Etwas, das mich seit meiner ersten, in einem richtigen Buch gedruckten Kurzgeschichte 1996 begleitet.

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Irgendwann funktioniert man nicht mehr

Ich habe meine Jobs immer gewechselt, wenn sie nicht mehr passten. Wobei… stimmt das überhaupt? Ich glaube, manchmal bin ich eher geflüchtet als gewechselt. Mir war klar, dass ich mein Leben nicht in einem einzigen Betrieb zubringen werde. Das lag mir nicht. Abwechslung war normal. Trotzdem habe ich die Warnsignale vor 2017 komplett übersehen.

Als operativer Leiter einer großen Frachtfluggesellschaft, später als Branch Manager für einen Industriekonzern, liefen meine Tage im Takt: Entscheidungen, Absprachen, Verantwortung. Und Stress. Stress, Stress, Stress. Aber ich war stolz auf diese Geschwindigkeit. Da bleibt natürlich kein Raum, um sich zu fragen, wie es einem wirklich geht.

Meine Frau sah damals früher als ich, dass ich mich verändert hatte. „Irgendwas stimmt nicht mit dir“, sagte sie einmal im Flur, als ich mir die Krawatte band. Kennst du das – wenn jemand anders weiß, dass was nicht stimmt, bevor du es selbst merkst? Ich zuckte nur mit den Schultern. „Ich brauche nur mal Urlaub. Oder ein Wochenende Ruhe.“ So eine typische Männerantwort.

Heute weiß ich, dass diese kleinen Sätze oft die ersten Hinweise sind. Sie tauchen glatt im Alltag auf, fast unscheinbar.

Der langsame Verlust der eigenen Spur

Wenn wir ehrlich sind, passiert das selten von heute auf morgen. Du arbeitest, du lieferst pünktlich ab und du bleibst erreichbar. Aber innerlich entstehen kleine Dellen. Ein Tag vielleicht, an dem du länger als sonst auf den Bildschirm starrst. Ein Meeting, in dem deine Gedanken irgendwie schon an der Tür hängen bleiben. Eine Präsentation, die du hältst, während sich dein Körper einen Tick schwerer als sonst anfühlt.

Ich habe das alles gehabt, ohne es zu merken. Erst viel später verstand ich, wie früh der Körper anfängt zu flüstern. Mit hochgezogenen Schultern. Nächten, in denen du zwar im Bett liegst, aber nicht wirklich schläfst. Und am Morgen dieses leichte Nebelgefühl hast, das du irrtümlich für Müdigkeit hältst.

In einer großen Übersicht zur beruflichen Entwicklung über die Lebensspanne (Akkermans, 2024) taucht genau dieses Phänomen auf: Viele Menschen in der Lebensmitte erleben eine sinkende Zufriedenheit und steigende innere Reibung, ohne dass im Außen etwas Dramatisches passiert.

Der Alltag läuft weiter, nur fühlt er sich schwerer an. Die Forschung beschreibt das als einen natürlichen Übergang, der sich zunächst leise im Verhalten zeigt – weniger Fokus, mehr Müdigkeit, ein langsamer Rückzug aus dem, was früher selbstverständlich war.

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Jobwechsel ohne Krankheit

Und bevor du jetzt denkst, das gilt nur für Männer wie mich, die irgendwann gegen die Wand gefahren sind: Die meisten Jobwechsel ab 40 passieren ohne Krankheit und ohne Drama. Da gab es vorher keinen Zusammenbruch. Das zeigen auch die aktuellen Arbeitsmarktzahlen ziemlich klar.

Rund ein Drittel der Männer zwischen 40 und 55 wechselt innerhalb von fünf Jahren den Arbeitgeber. Nicht aus Not, sondern aus der Einsicht heraus, dass das alte Modell einfach nicht mehr passt.

So ein Wechsel ist oft eher ein Nachjustieren als ein Befreiungsschlag.

Ein Bekannter von mir – nennen wir ihn Marc – hat mit 48 angefangen, in Teilzeit zu arbeiten. Er hatte keinen Burnout. Es gab keine trübe Geschichte dahinter. Marc merkte einfach, dass er seine Tage anders nutzen wollte. Mehr Werkstatt, weniger Meetings. Heute hat er zum ersten Mal seit zwanzig Jahren das Gefühl, dass sein Kalender ihm gehört und nicht umgekehrt.

So etwas gibt es also auch.

Ich erwähne das, weil viele Männer diesen inneren Druck spüren, aber keinen „harten Grund“ finden, etwas zu verändern. Den braucht es aber auch nicht. Manchmal reicht ein klarer Gedanke an einem normalen Mittwoch. Oder dieses eine Gefühl im Bauch, dass man sich ein Stück weit daneben entwickelt hat.

Heutzutage sind Jobwechsel längst kein Zeichen für Scheitern mehr. Wenn überhaupt, dann sind sie ein Zeichen für Aufmerksamkeit, die man entwickelt hat.

Dass Jobwechsel ab 40 längst keine Sonderfälle mehr sind, bestätigt auch ein OECD-Report von 2023. Er zeigt, dass die Wechselquote der 40- bis 60-Jährigen in vielen Branchen zwischen 22 und 35 Prozent liegt. Für viele ist das also längst normaler Bestandteil ihres Berufslebens

Eine Szene, die ich erst später verstanden habe

Ein paar Wochen vor meinem Zusammenbruch stand ich einmal in der Küche, die Kaffeemaschine brummte, während ich darauf wartete, dass der Druck in mir etwas nachlässt.

Meine Frau stand hinter mir, griff mir kurz an die Schulter und sagte: „Du wirkst nicht wie du.“ Ich nickte, ohne sie anzusehen. Heute weiß ich: Man nickt nur, wenn man die Wahrheit trifft und sie nicht halten möchte.

Punkt.

Solche kleinen Szenen holen dich später ein. Sie sind wie winzige Marker im Kopf. In den zwei Jahren danach, während der Depression, tauchten diese Momente wieder auf. Aber nicht als Schuldgefühle, sondern eher als Orientierungspunkte. Sie erklärten mir, wie weit ich mich verschoben hatte.

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Lies den vollständigen Cornerstone-Artikel Männlichkeit ab 40, der zeigt, wie Identität, Stärke, Körper, Verantwortung und Karriere in der Lebensmitte neu zusammenspielen.

Wenn ein Job nicht mehr dein Leben spiegelt

Dass sich in der Lebensmitte die innere Rolle schneller verändert als die äußere Position, zeigt sich auch in einer Untersuchung zu beruflichen Identitätswechseln (de Medeiros Anderson, 2021).

Menschen berichten dort, dass sie zwar den gleichen Titel tragen, aber innerlich andere Fragen stellen als früher: Was trägt mich wirklich? Welche Arbeit fühlt sich wie meine an?

Das ist kein Bruch, sondern ein Übergang, ein langsames Verschieben von Prioritäten, den man erst merkt, wenn man wieder ruhig genug ist, um hinzuschauen.

Es ist, als hätte jemand dein Betriebssystem aktualisiert, während die Software von vor zehn Jahren weiterlaufen soll.

Mir wurde das erst klar, als ich nach Monaten wieder einigermaßen denken konnte. Ich saß am Schreibtisch, ein leeres Dokument vor mir, und schrieb ein paar Sätze, nur für mich und ohne ein Ziel. Einfach Sprache. Und plötzlich war da eine Ruhe, die ich ewig lange nicht mehr gespürt hatte.

Keine Euphorie oder so. Aber zum ersten Mal seit Jahren fühlte sich was richtig an.

Drei Routinen, die mir geholfen haben

Diese drei kleinen Abläufe haben mir geholfen. Ich kann zwar nichts versprechen, aber vielleicht haben sie ja auch für dich irgendeinen Wert:

1. Der Morgen am Tisch

Ich saß oft früh an unserem Küchentisch. Der Kaffee roch leicht nussig, das Fenster beschlug manchmal. Ich schrieb drei Sätze in ein Heft: Was heute schwerfällt. Was leicht fällt. Was mir auffällt. Dieses kleine Schreiben klärte mehr als jede Planung.

2. Die Wochenlinie

Sonntags zog ich eine Linie auf einem Blatt. Links gut, rechts schlecht. Simpel, aber ehrlich.

3. Ein Gespräch ohne Rollen

Es gab einen Abend, an dem ich meinem besten Freund gegenüber saß, zwei Bier auf dem Tisch, und sagte: „Ich glaube, ich bin auf dem falschen Weg.“ Nicht wirklich ein dramatisches Bekenntnis. Aber der Satz war echt. Und er tat etwas in mir auf.

4. Sport (hat nicht funktioniert)

Alle rieten mir zu joggen. Ich hab es dreimal versucht. Fühlte sich an wie Pflicht. Habe es gelassen.

Es gab natürlich auch Wochen, in denen ich nichts davon gemacht habe. In denen ich einfach rumgehangen und Serien geschaut habe, ohne wirklich hinzusehen. Mich beschissen gefühlt danach.

Gehört dazu, nehme ich an.

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Was die Wissenschaft über Männer in der Lebensmitte sagt

Interessant ist, dass dieses Tief in der Lebensmitte kein Einzelfall ist. Eine Analyse aus 2025 (O’Connor & Smith) zeigt, dass die Arbeitszufriedenheit bei hochqualifizierten Beschäftigten in den 40ern statistisch einen deutlichen Knick macht, bevor sie später wieder steigt.

Ein normaler Verlauf und Hinweis darauf, dass man sich neu ausrichtet, bevor man weitermacht. Hast du das gewusst? Fühlt es sich so vielleicht auch bei dir an?

Wenn du innerlich anders tickst, aber äußerlich genau so weitermachst, dann entsteht Reibung. Und Reibung kostet Energie. Energie, die dir später bei allem anderen fehlt.

Das Fazit

Ein Job verliert seine Passform selten plötzlich. Meistens schleicht sich etwas ein, das von Verantwortung, Tempo und Erwartungen überdeckt wird. Und manchmal zeigt dir erst dein Körper, dass du von deiner Spur abgekommen bist.

Wenn du die Hinweise ernst nimmst, kann Klarheit entstehen. Muss aber nicht sofort. Nur ein ehrlicher Punkt, von dem aus du weitergehen kannst.

Häufig gestellte Fragen!

Ja. Karriere sieht in diesem Alter oft anders aus: weniger Titeljagd, mehr Richtung, mehr Passung. Männer berichten häufiger, dass sie ab 40 bewusstere Entscheidungen treffen und dadurch stabiler wachsen.

Fast alle, die keine körperliche Extrembelastung oder sehr lange Studienwege erfordern. Schreiben, IT, Pflege, Handwerk, Projektarbeit, Beratung, Logistik – vieles lässt sich sauber nachlernen, wenn man bereit ist, wieder Anfänger zu sein.

Alles, wo Erfahrung, Kommunikation, Ruhe und strukturiertes Denken zählen: Redaktion, Vertrieb, Coaching im fachlichen Sinn, IT-Administration, Qualitätsmanagement, kaufmännische Bereiche, soziale und pflegerische Felder. Viele Arbeitgeber suchen dort reife Kandidaten.

Indem du deine Geschichte klar erzählst: Was kannst du, was willst du, was sortierst du aus? Dazu ein realistischer Zeitrahmen, ein kleines Lernfenster und ein Umfeld, das Übergänge erlaubt. Der Einstieg funktioniert selten durch Tempo, eher durch eine klare Linie.

Quellennachweis

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