Resilienz ist kein Mythos – sondern Kunst und Handwerk zugleich. Wer sie trainiert, gewinnt innere Stabilität und lernt, sich zu biegen, ohne zu brechen. Dieser Artikel zeigt, wie du Resilienz trainierst – im Körper, im Kopf und im Alltag.
Der letzte Tag meines Lebens?
Da lag ich also auf dem Untersuchungstisch, mit einer Bleischürze über der Hüfte, die meine Weichteile schützen sollte. Links von mir war ein riesiger TV-Monitor, auf dem ich mein Herz in Echtzeit sehen konnte – eine Live-Röntgenaufnahme. Über mir bewegte sich der Apparat, der dieses Bild produzierte, rechts stand der Kardiologe hinter einer klaren Schutzscheibe.
Er hatte mir vorher auf Höhe des Handgelenks einen Zugang in die Arterie gelegt und war gerade dabei, mir mit geübter Schnelligkeit die verstopften Gefäße im Herzen freizumachen.
Während der ganzen Prozedur war ich bei vollem Bewusstsein und fragte mich, wie ich hierhergekommen war. Wie konnte das, verflucht noch mal, passieren? Herzinfarkt? So beschissen hatte ich mich selten gefühlt.
Allerdings wusste ich nicht, dass ich keine 24 Stunden später wieder genau auf demselben Tisch liegen würde – diesmal mit einem akuten Hinterwandinfarkt und kurz vor dem Tod. Vielleicht war da was beim ersten Mal übersehen worden, vielleicht war es einfach nur Pech.
Natürlich schreibe ich hier über meine eigene Erfahrung und gebe keine medizinische Empfehlung.
Ich sah mein Herz auf dem Monitor schlagen und verstand plötzlich, wie dünn der Faden sein kann, mit dem wir an unserem Leben hängen. Ich bin nicht der Einzige, der an so einem Punkt steht. Männer in der Mitte des Lebens kennen diese Brüche.
Am nächsten Morgen ging das Kopfkino los und eine Frage drängte sich dabei immer wieder in den Vordergrund: Wie mache ich weiter?
Das war keine theoretische oder philosophische Frage, sondern eine ganz praktische. Wie lebt man weiter, wenn drei Stents im Herzen stecken – und der vierte schon auf einen wartet (was ich zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht wusste)?
Ich hatte schlicht keine Ahnung. Was ich aber wusste: Trotz allem würde es weitergehen. Nicht weil ich ein Held wäre, sondern weil Aufgeben einfach keine Option war.
Resilienz beginnt im Kopf, auf dem kalten Boden der Tatsachen, in dem Moment, in dem dir klar wird: Scheiße, das darf jetzt nicht wahr sein!
Genau dort, wo du nicht mehr das tun kannst, was du immer getan hast. Wenn der Körper nachlässt, weil man ihn zu lange ignoriert hat. Wenn der Job sich verändert, die Jüngeren vorbeiziehen oder der Druck zu groß wird. Oder wenn eine Beziehung zerbricht, weil man sich zu viele Fehler einfach nicht mehr kitten lassen. So entsteht Schritt für Schritt Resilienz im Alltag, die trägt, auch wenn alles gegen dich läuft.
Resilienz ist kein großes Wort aus einem Fachbuch. Sie ist etwas Alltägliches, etwas Unauffälliges. Im Kern ist sie nur das kleine Ja, das nach dem großen Nein kommt.
Was Resilienz wirklich ist (und was nicht)
Viele Menschen, vor allem Männer, verwechseln Resilienz immer noch mit Härte, zum Teil sogar mit unnötiger Härte. Sie glauben an das Bild, das sie aus Filmen kennen oder von ihren Vätern und Großvätern übernommen haben: stark sein, schweigen, durchhalten, keine Schwäche zeigen. Einfach ein harter Hund sein.
Aber das ist ein Irrtum. Denn wahre Stärke ist anpassungsfähig. Sie ist nicht unzerbrechlich, ganz im Gegenteil – sie reagiert, sie passt sich an. Die Psychologie beschreibt Resilienz als die dynamische Fähigkeit, sich trotz Belastung zu stabilisieren und daran zu wachsen.1Kalisch, R., Müller, M. B., & Tüscher, O. (2021). A conceptual framework for the neurobiological study of resilience. Nature Human Behaviour, 5(3), 351–364 Es geht also nicht darum, unverwundbar zu sein oder den Superman zu spielen, sondern darum, verwundbar und trotzdem handlungsfähig zu bleiben.
Neurowissenschaftlich betrachtet ist Resilienz sogar trainierbar.2Southwick, S. M., & Charney, D. S. (2021). Resilience: The Science of Mastering Life’s Greatest Challenges. Cambridge University Press Sie ist ein Zusammenspiel aus Emotion, Körper und nicht zuletzt sozialer Unterstützung. Wer regelmäßig Resilienz trainiert, fördert seine innere Stärke und die Fähigkeit, Belastung auszuhalten.
Denn Männer ab vierzig verlieren oft eines dieser Standbeine. Bei manchen ist es die Fitness, weil der Körper nachlässt. Andere die Nähe, weil Beziehungen zerbrechen oder weil sie sich zu sehr in die Arbeit flüchten. Und wieder andere verlieren die Klarheit – ihr inneres Führungslicht. Sie funktionieren nur noch, getrieben von äußeren Einflüssen.
Und genau dort beginnt das eigentliche Training.
Gut zu wissen!
Resilienz lässt sich wie ein Muskel stärken. Die Forschung zeigt:
- Strukturiertes Denken schützt vor Grübelschleifen.
- Regelmäßige körperliche Aktivität verbessert die Emotionsregulation.
- Soziale Verbundenheit senkt Stresshormone3Tugade, M. M., Fredrickson, B. L., & Barrett, L. F. (2020). Psychological resilience and positive emotional granularity. Journal of Personality, 88(2), 285–298
Die Lüge vom sicheren Alltag
Weißt du, was beim Thema Resilienz eines der größten Probleme heute ist? Wir glauben, wir seien sicher. Uns kann nichts passieren. Was sollte uns auch großartig passieren? Die schweren Krisen – Kriege, Hunger, Naturkatastrophen – treffen immer die anderen.
Wir sehen sie im Fernsehen oder im Internet, aber sie berühren uns kaum. Denn hier ist alles bequem, alles ist stabil und planbar. Der Strom kommt aus der Steckdose, das Essen aus dem Supermarkt. Das war die letzten Jahrzehnte so, das wird die nächsten Jahrzehnte auch so bleiben.
Aber Sicherheit ist eine Illusion. Und sie kostet uns mehr, als wir merken – nicht nur global, sondern jeden Tag, im Kleinen. Dein voller Kalender gibt dir das Gefühl von Kontrolle, bis die Realität ihn zerreißt. Der Komfort, in dem du lebst, macht dich weich. Und das nicht nur körperlich, sondern auch geistig, vielleicht sogar seelisch.
Ständig suchen wir Bequemlichkeit und meiden jede noch so kleine Reibung. Warum sollten wir auch raus aus der Komfortzone? Es ist doch so angenehm – kuschelig warm, schön geordnet und beruhigend vorhersehbar. Aber genau das schwächt uns. Das Gegenteil davon ist, deine Belastbarkeit zu erhöhen – durch bewusste Reibung und Selbstdisziplin.
Studien zeigen, dass ständige Dopaminreize, etwa durch Smartphones, die Konzentrationsfähigkeit mindern.4Gazzaley, A. (2020). The Distracted Mind: Ancient Brains in a High-Tech World. MIT Press Die Erkenntnis? Wer sich nie reibt, der verliert Widerstandskraft!
Wann hast du denn das letzte Mal bewusst Widerstand gesucht? Nicht, weil das Leben ihn dir in den Weg geworfen hat, sondern weil du entschieden hast: Das wird schwer, aber ich mache es trotzdem. Vielleicht eine eiskalte Dusche.
Oder einfach nur Stille, ohne Bildschirme und ohne Dauerbeschallung. Oder du hast verzichtet, hast ein kleines Nein zu etwas gesagt, das du eigentlich wolltest, nur um zu spüren, dass du es kannst.
Das sind einfache Wege, um das Nervensystem zu erden. Denn Widerstand ist kein Gegner. Er ist ein Trainer. Und du meidest ihn, obwohl er dich stark macht.
Verantwortung statt Ausreden
„Du bist nicht schuld, aber verantwortlich.” Der Satz aus meinem Buch THE MANUAL, Vol. 1 bringt die eigentliche Essenz von Resilienz auf den Punkt. Schuld lähmt. Sie hält dich fest und macht dich klein. Sie nimmt einem jede Bewegung. Man fühlt sich schlecht und hat keine Ahnung, wie man dem begegnen soll oder wie man etwas Fehlerhaftes rückgängig machen könnte. Schuld lähmt.
Verantwortung hingegen befreit. Sie verhindert, dass Schuldgefühle überhaupt erst entstehen. Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum – ein Raum, in dem du wählen kannst. Viktor Frankl, der Begründer der Logotherapie, hat diesen Raum die letzte menschliche Freiheit genannt.
Hast du Einfluss darauf, was dir von außen widerfährt? Nein, hast du nicht. Aber du hast immer Einfluss darauf, wie du darauf reagierst, was du daraus machst und wie du innerlich damit umgehst.
Gerade Männer neigen in Umbrüchen dazu, Schuld zu verschieben. Es ist immer der Chef, die Partnerin, der Körper oder einfach das Pech. Verantwortung heißt, jetzt wieder der Eigentümer des eigenen Lebens zu werden.
Zu sagen: Ja, das ist mein Ding. Ich bin dafür verantwortlich. Ich habe Mist gebaut, ich habe es schleifen lassen, und ich bin derjenige, der das wieder in Ordnung bringt. Diese bewusste Selbstführung ist die Basis jeder inneren Stabilität.
Die Forschung zeigt klar: Menschen, die Verantwortung übernehmen, erleben weniger Stress – und deutlich mehr Lebenszufriedenheit.5Tugade, M. M., Fredrickson, B. L., & Barrett, L. F. (2020). Psychological resilience and positive emotional granularity. Journal of Personality, 88(2), 285–298
Faktencheck
- Verantwortungsübernahme korreliert mit höherem subjektivem Wohlbefinden6Robertson, I. H., Cooper, C. L., Sarkar, M., & Curran, T. (2020). Resilience training in the workplace from 2003 to 2019. Occupational Medicine, 70(5), 305–314
- Externe Schuldzuschreibung geht mit höheren Cortisolwerten einher.
Die körperliche Basis: Stärke schützt
Um es klarzumachen: Resilienz wächst im Körper, nicht im Kopf. Und das ist kein Kalenderspruch, sondern eine biologische Tatsache.
Physische Schwäche ist eine der am meisten unterschätzten Risiken überhaupt. Viele Menschen glauben, der Körper sei zweitrangig, solange er halbwegs funktioniert. Hauptsache, der Verstand arbeitet. Das Gehirn muss okay und die Gedanken klar sein. Auch wenn man mit angefressener Wampe jeden Tag faul auf der Couch liegt.
Mens sana in corpore sano – ein gesunder Geist lebt nur in einem gesunden Körper. Wer seinen Körper aber vernachlässigt, der verliert nach und nach auch die Basis seiner seelischen Stabilität. Es geht schlicht nicht ohne.
Wenn man den alten philosophischen Streit zwischen Dualismus und Materialismus betrachtet, ist für mich klar: Es gibt keine Trennung. Dein Geist ist dein Körper, dein Körper ist dein Geist. Und wenn du den einen schwächst, schwächst du immer auch den anderen. Denken und Geisteskraft gehen flöten.
Dinge wie Bewegung, Schlaf und Ernährung sind deshalb keine Lifestyle-Themen, sondern neurobiologische Werkzeuge. Die WHO zeigt, dass schon 150 Minuten moderate Bewegung pro Woche Depressionssymptome reduzieren können.7World Health Organization. (2020). Guidelines on physical activity and sedentary behaviour. Geneva: WHO Was ich hier beschreibe, ist Evidenz – kein Rezept.
Ich erzähle das, weil ich gelernt habe, wie sehr Körper und Geist zusammenhängen. Was für mich funktioniert, muss nicht für jeden passen – und ersetzt keinen medizinischen Rat.
Ich erinnere mich an meine Zeit bei der Bundeswehr, besonders an die Unteroffiziersausbildung bei den Jägern. Körperliche Härte war dort kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zur mentalen Disziplin. Kälte, Hunger und Erschöpfung waren unsere Lehrer, auch wenn sich das jetzt mehr als seltsam anhören mag.
Sie haben uns mit uns selbst konfrontiert, mit unseren Grenzen und mit dem, was dahinter liegt. Das mag jetzt vielleicht pathetisch klingen, aber in diesen Momenten haben wir uns selbst besser kennengelernt und verstanden, wie wir auf Belastung wirklich reagieren.
Selbstführung statt Motivation als mentale Basis
Motivation. Dieses Wort geistert seit Jahren durch alle möglichen Medien und das Netz. Jeder spricht darüber. Ich bin motiviert, ich bin nicht motiviert, ich brauche erst Motivation, bevor ich ins Fitnessstudio gehe oder mit irgendetwas anfange. Aber was die meisten dabei übersehen, ist etwas Grundsätzliches: Motivation ist nämlich flüchtig. Sie kommt, und meistens geht sie schneller, als man denkt.
Was bleibt dann? Nichts, wenn du kein System hast.
Also schaffe dir dein System. Denn nur wer Resilienz trainiert, kann auf Motivation verzichten, weil sein System ihn trägt.
Denn Selbstführung bedeutet, die Bedingungen für dein Verhalten so zu gestalten, dass du auch an schlechten Tagen handlungsfähig bleibst. Ich habe mir über längere Zeit ein solches System aufgebaut. In ruhigen Momenten habe ich überlegt, was für mich funktioniert und was nicht. Ich habe es ausprobiert, angepasst, verworfen und wieder neu zusammengesetzt.
Funktioniert es für mich, um fünf Uhr aufzustehen, oder ist sieben realistischer? Tut mir die kalte Dusche gut oder nicht? Welche Routinen tragen mich, auch wenn ich keine Lust habe?
So entsteht nach und nach ein Gerüst, das zu dir passt. Eines, das dich durch jede Hektik oder Müdigkeit, Zweifel und Tage ohne Motivation trägt.
Eine Studie von Robertson belegt, dass Teilnehmer strukturierter Resilienztrainings ihre Emotionsregulation und ihr Wohlbefinden innerhalb von zwölf Wochen signifikant verbessern konnten.8Robertson, I. H., Cooper, C. L., Sarkar, M., & Curran, T. (2020). Resilience training in the workplace from 2003 to 2019. Occupational Medicine, 70(5), 305–314 Das ist bemerkenswert, weil es bestätigt, was ich in THE MANUAL immer wieder betone: Setze auf Prinzipien statt auf Launen. Auf Systeme statt auf Willenskraft.
So machst du dir das Leben nicht nur einfacher, sondern baust dir eine Struktur, die dich durch jede Krise trägt.
Angst, Krise und der Blick nach vorn
Ein anderer Faktor, den nicht wenige Männer entweder ignorieren oder nur ungern zugeben, ist die Angst. Das kann die Angst zu versagen sein, oder Dinge nicht zu schaffen, allein zu sein oder aufzufallen. Was auch immer die Form ist, Angst ist ein ständiger Begleiter in unserem Leben.
Aber Angst ist kein Feind. Ob das früher anders war? Vielleicht. Aber nach vielen Gesprächen mit Männern habe ich den Eindruck, dass sie für viele einer der größten Gegner überhaupt ist. Dabei lohnt sich ein nüchterner Blick.
Angst ist kein Gegner, sie ist ein Signal. Sie zeigt dir etwas über deinen Körper, über deine Psyche und über deine Grenzen. Und sie lehrt dich, stark zu sein. Weil du ihr begegnest, auch wenn du sie nicht besiegen kannst.
Zu meiner kleinen Tochter sage ich immer: Hinter dem Tal der Angst liegen all deine Träume. Du musst erst da durch, um sie zu erreichen. Wer seine Angst verdrängt oder nicht wahrhaben will, der verliert die Orientierung.
Das wussten schon die alten Stoiker: Memento mori – memento vivere. Erinnere dich an den Tod, um bewusster zu leben. Erst wenn du dich mit deiner Endlichkeit auseinandersetzt, verstehst du, was wirklich zählt.
Auch die Forschung bestätigt das. Untersuchungen zeigen, dass das bewusste Durchspielen negativer Szenarien – also der sogenannte „Worst-Case-Check“ – die emotionale Stabilität und Handlungskompetenz stärkt.9Tugade, M. M., Fredrickson, B. L., & Barrett, L. F. (2020). Psychological resilience and positive emotional granularity. Journal of Personality, 88(2), 285-298. Du schreibst auf, was du am meisten fürchtest, und überlegst, was du tun würdest, wenn genau das eintreten würde.
In dem Moment hast du der Angst ihre Macht genommen. Du hast sie in ein Werkzeug verwandelt, das dir die Richtung weist, wenn das, was du fürchtest, wirklich passiert.
Der Rückfall in die Trägheit
So, jetzt ist die Krise da gewesen. Der Worst Case ist eingetreten und du bist da irgendwie durch. Und jetzt? Jetzt soll am besten alles wieder so werden wie vorher. Und genau das ist das Problem.
Denn nach der Krise ist vor dem Rückfall. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass, wenn der Schmerz nachlässt, die Bequemlichkeit zurückkommt. Das passiert allerdings nur dann, wenn du dein System nicht halten kannst – oder nie eins hattest.
Dann gehst du durch den ganzen Schrecken, durch die Angst und das Zittern, und sobald es vorbei ist, denkst du: Okay, geschafft, jetzt kann ich weitermachen wie früher. Alles wieder normal. Kein Grund, was zu ändern.
Ich habe das in meiner Reha gesehen. Da waren Leute, die hatten keinen Dickdarm mehr, andere überlebten Herzinfarkte, Bypässe, etc., das volle Programm. Das waren Menschen, die nicht mehr gesund waren, so wie ich. Und trotzdem: viele von denen haben genauso weitergemacht wie vorher.
Einige waren nur dort, weil sie dort hinmussten, wegen der Krankenkasse, wegen des Geldes. Und sobald sie aus dem Krankenhaus draußen und in der Rehaklinik drin waren, haben sie wieder geraucht und gesoffen, und natürlich auch wieder denselben Mist gegessen.
Du kannst davon ausgehen, dass ein Teil von denen heute, ein Jahr später, entweder tot ist oder richtig Probleme hat. Einfach, weil sie nichts geändert haben.
Und ich bin mir sicher, dass auch sie auf dem OP-Tisch lagen, so wie ich, und gedacht haben: Lieber Gott, wenn ich hier lebend rauskomme, dann mache ich alles anders. Ich höre auf zu rauchen, ich trinke nichts mehr, ich esse gesund, ich mache Sport. Ich werde ein besserer Mensch, aber bitte lass mich nicht sterben…
Dann kam der Alltag und sie haben nichts geändert.
Deshalb: Halte dein Gerüst aufrecht. Es trägt dich. Studien zu Habit Formation zeigen, dass sich neue Gewohnheiten im Schnitt nach 66 Tagen stabilisieren.10Lally, P., van Jaarsveld, C. H., Potts, H. W., & Wardle, J. (2010). How are habits formed: Modelling habit formation in the real world. European Journal of Social Psychology, 40(6), 998–1009 Nur durch konsequente Routinen gelingt es dir, neue Gewohnheiten aufzubauen und sie zu halten.
Andere sagen, das stimmt so nicht ganz – es kommt nicht auf die Zeit an, sondern darauf, wie oft du etwas in eben dieser Zeit machst. Zehn Tage, zwanzig, fünfzig. Irgendwann überschreitest du diese Schwelle in dir, an der aus Anstrengung ein Gerüst wird. Und dann ist es keine Frage der Disziplin mehr, sondern einfach ein natürlicher Teil von dir.
Gut zu wissen!
Routinen sind die stille Infrastruktur der Resilienz. Sie entlasten dein Nervensystem und machen dich planbar – für dich selbst und andere.
Haltung schlägt Heldentum
Resilienz ist kein Lärm, keine Augenwischerei, kein Schall und Rauch. Resilienz ist leise. Es ist eine stille Sache, ein stiller Sieg. Sie passiert nicht auf der Bühne, sondern da, wo keiner zuschaut.
Psychische Standfestigkeit (was Resilienz eben ist) heißt nicht, dass du dir einredest: „Ach, ich schaffe das schon.“ Es ist kein positives Denken, kein „wird schon irgendwie“. Es ist viel nüchterner. Es ist dieses: „Ich handle trotzdem.“ Nicht irgendwie, sondern bewusst.
Du sagst dir: Egal was kommt, ich handle trotzdem, weil ich weiß, wie ich handeln muss. Weil ich weiß, worauf ich mich verlassen kann – vor allem in mir selbst.
Und sie wächst genau dort, wo du Verantwortung übernimmst, wo du deinen Rahmen pflegst und dem Leben nicht ausweichst. Ich meine damit, dass du den unangenehmen Dingen nicht aus dem Weg gehst. Dass du sie dir anschaust, sie konfrontierst, mit ihnen umgehst und sie letztendlich akzeptierst.
Das ist etwas, was ich über die Jahre gelernt habe – und es ist ein zentraler Teil meiner Philosophie geworden. FORTEM basiert genau darauf: Stärke nicht als Pose, sondern auf der ruhigen, klaren Bereitschaft, zu handeln. Gerade dann, wenn es unbequem wird. Das ist die klare Haltung, die Männer ab 40 neu definieren – ruhig und verantwortungsvoll.
Fazit: Stärke ist kein Zufall
Um es abzuschließen und zusammenzufassen: Resilienz trainieren ist keine Frage von Talent. Sie hat überhaupt nichts mit Talent zu tun. Sie ist – wie vieles andere im Leben – eine Frage des Trainings.
Mentale Belastbarkeit entsteht nicht, wenn du dich ständig überforderst oder dich durch jedes Hindernis quälst, sondern wenn du dich vernünftig formst. Wenn du regelmäßig kleine Siege erringst, wenn du dranbleibst und verlässlich wirst – für dich selbst und für andere.
Dann wächst eine Stärke in dir, die bleibt. Keine laute Stärke, keine, die sich beweisen muss. Sondern eine ruhige, präzise, die in dir verankert ist.
Und irgendwann, ohne dass du es merkst, wirst du zu dem Bild eines Mannes, das du als Kind bewundert hast.
Fragen zu Resilienz
Kann man Resilienz trainieren?
Ja. Studien zeigen, dass Resilienz durch Routinen, Bewegung und Emotionsregulation gezielt gestärkt werden kann.
Warum ist Resilienz ab 40 besonders wichtig?
Weil biologische, berufliche und soziale Umbrüche häufiger werden – und Stabilität aktives Training erfordert.
Wie merke ich, ob ich resilient bin?
Wenn du nach Rückschlägen handlungsfähig bleibst und Verantwortung übernimmst, lebst du Resilienz.
Welche Rolle spielen soziale Kontakte?
Enorme: Unterstützung reduziert Stresshormone und fördert Heilung und Zufriedenheit.
Der wöchentliche Brief
Keine Motivationstricks, kein Spam. Nur klare Gedanken und Werkzeuge für Männer, die Verantwortung tragen und Haltung bewahren wollen.
Quellen
- Gazzaley, A. (2020). The distracted mind: Ancient brains in a high-tech world. MIT Press. https://mitpress.mit.edu/9780262046070/the-distracted-mind/
- Kalisch, R., Müller, M. B., & Tüscher, O. (2021). A conceptual framework for the neurobiological study of resilience. Nature Human Behaviour, 5(3), 351-364. https://doi.org/10.1017/S0140525X1400082X)
- Robertson, I. H., Cooper, C. L., Sarkar, M., & Curran, T. (2020). Resilience training in the workplace from 2003 to 2019. Occupational Medicine, 70(5), 305-314. https://irep.ntu.ac.uk/id/eprint/5063/1/221261_PubSub2848_Sarkar.pdf irep.ntu.ac.uk
- Southwick, S. M., & Charney, D. S. (2021). Resilience: The science of mastering life’s greatest challenges. Cambridge University Press. https://www.cambridge.org/core/books/resilience/3C1EFD8A5FAC1470E49F1D77647B61CA
- Tugade, M. M., Fredrickson, B. L., & Barrett, L. F. (2020). Psychological resilience and positive emotional granularity. Journal of Personality, 88(2), 285-298. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC1201429
- World Health Organization. (2020). Guidelines on physical activity and sedentary behaviour. Geneva: WHO. https://www.who.int/publications/i/item/9789240015128
- 1Kalisch, R., Müller, M. B., & Tüscher, O. (2021). A conceptual framework for the neurobiological study of resilience. Nature Human Behaviour, 5(3), 351–364
- 2Southwick, S. M., & Charney, D. S. (2021). Resilience: The Science of Mastering Life’s Greatest Challenges. Cambridge University Press
- 3Tugade, M. M., Fredrickson, B. L., & Barrett, L. F. (2020). Psychological resilience and positive emotional granularity. Journal of Personality, 88(2), 285–298
- 4Gazzaley, A. (2020). The Distracted Mind: Ancient Brains in a High-Tech World. MIT Press
- 5Tugade, M. M., Fredrickson, B. L., & Barrett, L. F. (2020). Psychological resilience and positive emotional granularity. Journal of Personality, 88(2), 285–298
- 6Robertson, I. H., Cooper, C. L., Sarkar, M., & Curran, T. (2020). Resilience training in the workplace from 2003 to 2019. Occupational Medicine, 70(5), 305–314
- 7World Health Organization. (2020). Guidelines on physical activity and sedentary behaviour. Geneva: WHO
- 8Robertson, I. H., Cooper, C. L., Sarkar, M., & Curran, T. (2020). Resilience training in the workplace from 2003 to 2019. Occupational Medicine, 70(5), 305–314
- 9Tugade, M. M., Fredrickson, B. L., & Barrett, L. F. (2020). Psychological resilience and positive emotional granularity. Journal of Personality, 88(2), 285-298.
- 10Lally, P., van Jaarsveld, C. H., Potts, H. W., & Wardle, J. (2010). How are habits formed: Modelling habit formation in the real world. European Journal of Social Psychology, 40(6), 998–1009